Sardine run in Port St Johns an der Wild Coast

Der alljährliche Sardine Run im südafrikanischen Winter ist das grandioseste und unglaublichste Unterwasserspektakel überhaupt. Abermillionen von Sardinen migrieren die Ostküste hinauf und das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen für Wale, Haie und Vögel. Der „Run“ ist mittlerweilen ein wichtiger Tourismusfaktor im Eastern Cape – und Port St Johns an der Wild Coast hat sich zu einem Action Hotspot für Taucher entwickelt.

Port St Johns Südafrika TauchparadiesPort St Johns liegt südwestlich von Port Edward an der Mündung des mächtigen Umzimvubu Flusses. Die Namensgebung des Ortes ist nicht so ganz klar. Aber man geht davon aus, dass PSJ nach der portugiesischen Galeone „Sao Joao“ benannt ist, die hier 1552 auf dem Rückweg ihrer Jungfernfahrt nach China unterging. Mit 900 Tonnen zählte sie zu den größten Schiffen der damaligen Zeit –  geladen hatte sie die drei Ps: Porzellan, Pfeffer und Perlen. Allerdings wurde das Wrack vor PSJ später als die 1635 gesunkene „Nossa Senhora De Belem“ identifiziert. In den 1980er Jahren fand man dann Artefakte der Sao Joao vor Port Edward. Umzimvubu ist Xhosa und bedeutet „Flusspferd“ – Huberta war leider das letzte Hippo, das hier gesichtet wurde. Huberta war eine nationale Berühmtheit nachdem sie 1928 St Lucia verlassen hatte und unter ausführlicher Berichterstattung der Presse gen Süden wanderte. 1930 verweilte sie dann auch sechs Monate in PSJ und fraß sich durch die Gemüsegärten. Drei Jäger setzten ihrer Wanderlust 1931 ein jähes Ende – heute steht Huberta ausgestopft in dem Amathole Museum von King William’s Town.

Ursprünglich wurde dieses Gebiet um PSJ von den Mthwa Clans bewohnt, die Mitte des 19. Jahrhunderts weißen Händlern gestatteten sich hier anzusiedeln. Etwa zur selben Zeit kamen auch die Pondo hierher. Macht- und Kompetenzgerangel zwischen den Clans führten dazu, dass Port St. Johns 1878 der Kapkolonie angegliedert wurde – im Gegenzug wurde der Pondo Chief Nqwiliso von den Engländern als offizieller Machthaber anerkannt. Ab Ende der 1950er forcierte die südafrikanische Regierung die Bildung der sogenannten Homelands in Gebieten, in denen traditionell hauptsächlich Schwarze lebten. Die Transkei wurde 1963 als erstes von 10 Homelands geschaffen, bestand aus drei Gebieten und erstreckte sich grob von der Küste bis Lesotho. Die Küstenlinie deckte sich in etwa mit der heutigen Wild Coast von East London bis Port Edward. Port St Johns (als einziger Hafen an der Küste) wurde der Transkei erst 1976 zugesprochen, als das Gebiet formal in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Eine Scheinunabhängigkeit, die international auch nie anerkannt wurde – finanziell und ordnungspolitisch wurden die Homelands von der südafrikanischen Bantu Administration verwaltet. Insgesamt vier Homelands wurden in die Unabhängigkeit entlassen und das bedeutete, dass die Bürger dieser vier Homelands ihre südafrikanische Staatszugehörigkeit verloren. Nach Ende der Apartheid wurde die Transkei 1994 dann ein Teil der Republik Südafrika und in das Eastern Cape eingegliedert.

Überall sieht man die traditionellen grasgedeckten Rondeval Hütten und auf den Straßen Menschen, kleine schwarze Schweine und Ziegen. Keine erkennbaren Ortskerne, sondern alles zersiedelt. Ausreichende Strom- und Wasserversorgung? Fehlanzeige. Auch über 20 Jahre nach Ende der Apartheid ist die Gegend bitterarm. Die Straßen sind nach wie vor eine Katastrophe. Von Durban nach Port St Johns sind es grob 360 km – aber für die Strecke kann man getrost sechs Stunden einplanen. Keine traumhaft schöne Küstenstraße, sondern ab durch das Landesinnere und dann auf einer kleinen Straße runter an die Küste. Die Schlaglöcher sind dann auch eher Krater als Löcher.

Port St Johns liegt also ab vom Schuss. Trotzdem (oder deswegen?) erfreut sich der leicht verschlafene Ort – mit deutlich weniger als 10.000 Einwohnern – großer Beliebtheit bei Künstlern, Aussteigern und Naturliebhabern. Und es ist einfach traumhaft schön hier. Drei Strände (die voll kreativ „First Beach“, „Second Beach“ und „Third Beach“ heißen), mildes subtropisches Klima und immergrüne Wälder. Ebenso großartig sind die „Gates of St. John“ – die über 300m hohen Sandsteinberge Mt. Thesiger und Mt. Sullivan, die sich beiderseits des Flusses erheben. Hier gilt: leben und leben lassen. Entspannte Atmosphäre eben. Drei Supermärkte, vier Restaurants und einige Unterkünfte – yebo, hier kann man wirklich die Seele baumeln lassen. Ganz gleich ob bei sportlichen Aktivitäten oder beim sonnenbaden.

Allerdings „obacht“ beim „Second Beach“ – an dem bei Surfern und Badegästen beliebten Strand haben sich zwischen 2007 und 2014 acht tödliche Hai-Unfälle ereignet. Second Beach gilt nicht umsonst als gefährlichster Strand weltweit. Dann doch lieber zu „Gypsy Moon“ auf einen Kaffee und durch den Schnickschnack Laden stöbern. Oder zu Fuß zum Cape Hermes Leuchtturm, der 1903 erbaut wurde. Vom Mt. Thesiger aus hat man einen grandiosen Blick über den Umzimvubu – und das ist auch einfach der beste Platz für Sundowner. Hier oben auf der Flugpiste hat auch schon Leo gestanden. DiCaprio natürlich. „Blood Diamond“ wurde zu großen Teilen hier gedreht. Überhaupt ist die Gegend hier eine gern genommene Location, denn die naturbelassene, ursprüngliche Landschaft eignet sich hervorragend als Afrika- oder Dschungelkulisse. So wurden hier auch „Brüll den Teufel an“ mit Lee Marvin und Roger Moore abgedreht sowie Teile des neuen Dschungel Buchs und diverse lokale Produktionen. 

Spektakulär ist auch der ca. 1.5 Auto-Stunden von PSJ entfernte Magwa Wasserfall – mit 146m der höchste an der Wild Coast. Die in den 1960ern gegründete „Magwa Tea Estate“ war einst die größte Teeplantage der südlichen Hemisphäre mit mehr als 1000 Festangestellten und 2000 Saisonarbeitern – die Plantage produzierte jährlich bis zu 2.700 Tonnen Tee und exportierte nach England, China und Sri Lanka. Seit den 1990ern macht die Plantage nur noch Negativschlagzeilen – Korruption, schlechtes Management und Streiks. Derzeit werden noch knapp 100 Tonnen jährlich produziert und der Staat hat letztes Jahr ein Rettungspaket angeleiert. Wollen wir hoffen, dass es hilft und hiermit wieder neue Jobs in der Region geschaffen werden.

 

Ich für mich hoffe ja, dass Leo hier wieder ein Filmprojekt am Start hat, wenn wir zum Sardine Run aufschlagen. Und dass es nicht so kalt ist, wenn wir morgens rausfahren.