Stadterkundung mal anders – auf Geistersuche in Kapstadt

Urbexing von „Lost Places“, sprich die Stadterkundung von verlassenen Orten, hat sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem richtigen Trend entwickelt. Und es ist ja auch ein mehr als faszinierender Gedanke, alte Industriegebäude, verlassene Häuser oder auch lang vergessene Plätze in historisch-authentischer Atmosphäre mit der Kamera zu erforschen, bevor man sie endgültig dem Verfall überlässt. Geschichte neu entdecken und dokumentieren, quasi. „Ruinen-Fotografie“ nennt sich dieses neue Genre. Knarzende Türen und wackelige Treppen, Kellerräume und Kreuzgewölbe, Falltüren und verlorene Schätze – ja, das hat schon was! Eine gewisse Romantik und viel Abenteuerflair. Und noch ein Stück interessanter wird das Ganze, wenn es vor Ort spuken soll.

Kapstadt ist ein Schmelztiegel der Kulturen – hier gehen Moderne und Aberglaube Hand in Hand, historische Ereignisse verschmelzen mit zeitgenössischen Legenden und es gibt Gespenstergeschichten zu Hauf. Angefangen vom Fliegenden Holländer über Dr. James Barry bis hin zur unglücklichen Elsa, die an gebrochenem Herzen gestorben ist.

Und hier kommt das Team von CTPI (Cape Town Paranormal Investigations) ins Spiel. Marc, Shaun und Piet nehmen mit einer wechselnden Gruppe von Freiwilligen historische Gebäude mit angeblicher paranormaler Aktivität unter die Lupe. Marc sagt von sich selber, dass er Skeptiker ist, dass es aber eben auch manchmal Dinge gibt, die man nicht erklären kann. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen CTPI dann mit Fotos und Filmen auf ihrer Website und ihrem YouTube-Kanal. Manchmal ergibt sich daraus eine rein historische Mini-Doku und manchmal haben die Kameras dann doch unerklärliche Dinge aufgezeichnet. Wie zum Beispiel bei der Untersuchung des Leuchtturms in Green Point. Hier soll der Geist von Daddy West sein Unwesen treiben 

Mitte April haben wir uns mit Marc und seinem Team in Morreesburg getroffen, um das alte „Tiger Oats“ Fabrikgebäude zu untersuchen. Ein stummer Zeitzeuge der bescheidenen Anfänge des größten Konsumgüterproduzenten Südafrikas “Tiger Brands“.  Das erste Produkt, das die 1921 gegründete Firma auf den Markt brachte, war „Jungle Oats“ – Frühstückshaferflocken, die es heute noch in jedem Supermarkt zu kaufen gibt. Die Produktionsstätte in Morreesburg wurde 1987 stillgelegt.

Das Gebäude ist größtenteils demontiert und befindet sich in einem desolaten Zustand. Schade an sich, denn der Ziegelbau mit dem Schornstein ist insgesamt klassische Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Außenfassade steht noch, aber es gibt keine Stockwerke und keine Treppen mehr. Ein paar Stahlpfeiler, in denen sich ein großes Fass mit einem geschätzten Volumen von 5m³ verkeilt hat – das sieht nicht ungefährlich aus und erinnert daran, dass Produktionsabläufe früher von oben nach unten angeordnet waren. Alles, was man ansatzweise als Baumaterial verwenden konnte ist entfernt worden. Stattdessen Graffiti an den Wänden und Überreste von Kleidung, Schlaf- und Feuerstellen. Nach Schließung der Fabrik ist hier ein Mord geschehen. Und deswegen sind wir hier. Im Internet gibt es *Überraschung* hierzu keinerlei Informationen.

Ausgestattet mit Phonem-Generator, SB7 Funkscanner, K2 und Trifield EMFs, REM-Pod, Audiorekorder und Infrarotkameras versucht Shaun Kontakt aufzunehmen – mit dem Geist des Verstorbenen und anderen Wesenseinheiten, die hier sein könnten. Gespannt und mit gemischten Gefühlen warten wir. Es gibt ja genügend Optionen, mit uns zu kommunizieren. Aber: keine Fledermäuse, keine sich bewegenden Gegenstände oder Klopfzeichen. Unverständliche Wortfetzen, eine flackernde Taschenlampe und ein paar hochgeschreckte Vögel. Insgesamt nichts, das man wirklich in die Kategorie „Paranormal“ einordnen könnte. Wir ratschen noch ein bisschen mit Kat, die jeden Freitag auf ihrer Website Goth in the Big City über paranormale Themen schreibt. Und dann machen wir uns auf den Heimweg.

Fazit: ich brauche dringend ein EMF! Insgesamt ist das schon ziemlich aufregend und mehr als spannend. Wir werden uns sicherlich irgendwann wieder anschließen – es gibt ja in und um Kapstadt noch viele „Lost Places“. Bis dahin besuchen wir einfach unsere beiden Lieblingsspukhäuser in Kapstadt und jap – richtig geraten – es sind beides Restaurants. Auf den Fliegenden Holländer kann ich gut und gerne verzichten, denn der bedeutet letztendlich nichts Gutes.

Da wäre zum einen das „Roundhouse“ in Camps Bay. Einstiges Jagdhaus des damaligen Kapgouverneurs Lord Somerset. Oft mit von der Partie der illustren Jagdgesellschaft war Dr. James Barry, ein Arzt der britischen Armee. Dr. Barry war ab ca. 1816 rund 12 Jahre am Kap stationiert, hat die Bedingungen in Krankenhäusern verbessert und auch erfolgreich den ersten Kaiserschnitt in Afrika durchgeführt. Nach seinem Tod 1865 in London hat sich herausgestellt, dass Dr. Barry eine Frau war. Eine gewisse Margaret Anne Bulkley, die die Universität von Edinburgh und die britische Armee an der Nase herumgeführt hat. Und der Geist von Dr. Barry wird wohl oft in Uniform beim „Roundhouse“ gesichtet. Empfehlenswert hierzu das Buch von Michael du Preez „Dr. James Barry – A Woman Ahead of Her Time“.

Und dann ist da noch das wunderschön ausgestattete „Kitima“ in Hout Bay. Kronendal war die erste Farm, die in den 1670ern in Hout Bay gegründet wurde – dieses Gebäude im kapholländsichen Stil ist das einzige noch auf der Peninsula erhaltene mit achsensymmetrischer H-Form. Das Gehöft wechselte mehrmals die Besitzer und die Cloete Familie lebte hier von 1835 – 1849. Tochter Elsa verliebte sich in einen Soldaten, aber der Vater verbot die Beziehung. Der arme Soldat hat sich am Eichenbaum vor dem Haus erhängt und Elsa ist nur wenige Stunden später an gebrochenem Herzen gestorben. Und spukt heute noch im Kitima. Um Elsa zu besänftigen, wird in dem Restaurant jeden Abend ein Tisch für die beiden Liebenden gedeckt inklusive Wein, Blumen und Tafelsilber. Das letzte Mal als wir da waren, haben die Lichter ordentlich geflackert und unser Kellner war gleich ganz verzückt ob dieser Aktivität.

Wie dem auch sei, ich gehe mir jetzt ein EMF besorgen!