Das Kap der guten Hoffnung

Von Seefahrern und Geisterschiffen

34° 21‘ 23‘‘ S

18° 29‘ 51‘‘ ODas Kap der guten Hoffnung

Es ranken sich zahlreiche Geschichten und Legenden um das Kap der Guten Hoffnung – den südwestlichsten Punkt Afrikas auf dem 34. südlichen Breitengrad. Geschichten über die raue und unerbittliche See, unerschrockene Seefahrer und furchteinflößende Meeresungeheuer. Und wenn man hier so am alten 1859 errichteten Leuchtturm am Cape Point auf 238m über Meereshöhe steht und auf das tosende Meer und die zerklüfteten Klippen rausschaut, fragt man sich wie das wohl damals gewesen sein mag, als der Portugiese Bartolomeu Diaz 1488 das Kap umrundete.

Auch wenn die mittelalterliche Lehrmeinung wohl von einer Kugelgestalt der Erde ausging und die Seeleute nicht mehr befürchten mussten, mit dem Schiff von der Erdscheibe zu kippen, wenn sie dem Horizont zu nahe kamen, so gab es doch Geschichten über riesenhafte Seeschlangen und  Kraken, die mit meterlangen Tentakeln Männer vom Schiff ziehen oder einen ganzes Schiff versenken. Das alles gepaart mit gefährlichem Halbwissen, ungenauen nautischen Instrumenten, fehlenden Seekarten, Skorbut und drohender Meuterei, macht umso deutlicher, was für eine grandiose Leistung Diaz vollbracht hat, als er mit der Umrundung des Kaps das Tor zum Osten öffnete. Er gab dem Kap auch den Namen „Cabo de Tormentas“ – das Kap der Stürme. Die Bezeichnung „Cabo da Boa Esperanca“ – Kap der Guten Hoffnung – fand erst später Verwendung.

Portugiesen, Engländer, Franzosen – sie alle nutzten die Seeroute um die Südspitze Afrikas um nach Indien, China und Asien zu gelangen, war doch der Landweg verschlossen nach dem letzten Kreuzzug im Jahre 1396, bei dem das Christenheer vernichtend geschlagen wurde. Aber die See hat ihren Tribut gefordert: gefährliche Windverhältnisse, oft auftretender Nebel und die schroffen Klippen sind vielen Schiffen zum Verhängnis geworden und somit liegen rund um die Kaphalbinsel verstreut an die 130 Wrack; entlang der ganzen südafrikanischen Küste sollen 3000 Wracks auf dem Meeresboden liegen. Als am 18.04.1911 die SS Lusitania auf dem Bellows Rock aufgelaufen ist, wurde beschlossen, den strategisch ungünstig gelegenen Leuchtturm aufzugeben und einen neuen zu errichten. Er lag zu hoch und so konnten viele Schiffe den Lichtkegel aufgrund von Wolken oder Nebel nicht sehen. Der neue Leuchtturm liegt ca. 90 m über Meereshöhe, hat eine Reichweite von 60km und ist das stärkste Leuchtfeuer an der südafrikanischen Küste. Als Kennung strahlt der Leuchtturm alle 30 Sekunden drei Lichtblitze mit einer Lichtstärke von 10 Millionen Candela aus. Und wer nicht zum alten Leuchtturm hochlaufen möchte, hat immer noch die Option mit der 1996 in Betrieb genommenen Standseilbahn „The Flying Dutchman Funicular“ hochzufahren.

Der Fliegende Holländer?! Yebo – von dem verfluchten Kapitän, der bis zum Tag des Jüngsten Gerichts kein Fuß an Land setzen darf, hat wohl jeder schon gehört. Ob als Nemesis von unserem quietschgelben Freund Spongebob, ob als Donald Ducks unheimliche Begegnung beim Ausflug mit Onkel Dagobert oder als Wagner Oper, die 1843 in Dresden uraufgeführt wurde. Oder auch als Davy Jones in „Fluch der Karibik“. Die Legende um Kapitän Hendrik van der Decken und sein Geisterschiff besagt, dass das Schiff 1641 auf dem Rückweg von Batavia (heute Jakarta) in einen schweren Sturm a
m Kap geriet. Die Mannshaft flehte den Kapitän an, kehrt zu machen, aber er weigerte sich, fesselte sich ans Steuerrad und schwor, dass er das Kap umrunden würde, selbst wenn es bis zum Tag des Jüngsten Gerichts dauert. Die Legende besagt weiter, dass daraufhin ein Engel an Deck erschien, den der tobende Kapitän versucht hat zu erschießen. Sein Wunsch wurde ihm gewährt – er umrundete in der Nacht das Kap, aber er ist verflucht  bis zum Tag des Jüngsten Gerichts zu segeln. Das Schiff selber soll pechschwarz sein, blutrote Segel haben und eiserne Masten. Wehe dem, der das Schiff sichtet – demjenigen droht großes Unglück, wenn nicht sogar der Tod. Bei Begegnungen mit anderen Schiffen lässt Kapitän van der Decken dann ein Beiboot zu Wasser, das Briefe der Mannschaft überbringt, die allesamt  nicht zugestellt werden können, weil die Empfänger schon lange verstorben sind. Und wenn man die Briefe nicht sofort an den Mast nagelt, ist das Schiff dem Untergang geweiht. In der Kapkolonie gibt es wohl keine Aufzeichnungen über einen Kapitän van der Decken – Kapstadt ist ja auch erst 1652 gegründet worden. Nix Genaues weiß man also nicht. Aber in jeder Legende steckt ja auch meistens ein bisschen Wahrheit. Vielleicht hat der Fliegende Holländer ja auch seinen Ursprung in den Geschichten um den friesischen Kapitän Bernard Fokke, der im Dienste der Niederländischen-Ostindischen Handelskompanie stand. Fokke hatte den Ruf, erbarmungslos ambitioniert zu sein und immer mit vollen Segeln zu fahren. So konnte er 1678 die Strecke von den Niederlanden nach Java in ein bisschen mehr als drei Monate zurücklegen – sprich in etwa der Hälfte der normalen Zeit. Als Beweis für die kurze Dauer der Fahrt legte er dem Gouverneur von Java einen Stapel Briefe vor. Er hatte die Masten der „Libera Nos“ mit eisernen Rahen versehen und konnte dementsprechend noch mit vollen Segeln fahren, wenn man eigentlich die Segelfläche hätte verkleinern müssen. Das brachte ihm natürlich den Ruf ein, mit dem Teufel einen Pakt eingegangen zu haben. Und in Wagners Oper ist dann auch Fokke der Fliegende Holländer.

Berichte über Begegnungen mit dem Geisterschiff gibt es viele – der bekannteste Bericht stammt aus dem Jahr 1881 von dem britischen Prinzen George, dem späteren König George V, der mit seinem Bruder Albert an Bord der Bacchante eine Marineausbildung absolvierte. Die Sichtung erfolgte von Bord der HMS Inconstant und Prinz George schrieb in sein Tagebuch, dass der Matrose, der das Geisterschiff zuerst gesehen hatte, nur wenige Stunden später in den Tod stürzte. Auch der Kommandant der Deutschen Reichsarmee, Karl Dönitz, will das Geisterschiff östlich von Suez gesehen haben. Der letzte offizielle Bericht einer Sichtung stammt aus dem Jahr 1959 als der Frachter Straat Magelhaen von einem Beinahe-Zusammenstoss vor der Kaphalbinsel berichtet. Es ist ja auch nicht weiter verwunderlich, dass die Berichte über Sichtungen des Fliegenden Holländers abgenommen haben: mit der Eröffnung des Suez-Kanals im November 1869 verlor die Seeroute um das Kap schnell an Bedeutung. Aber mit dem Sturz des Ölpreises ist auch der Preis für Schiffsdiesel gesunken und somit ist es erstmals seit den 1960ern oftmals günstiger, den Seeweg um das Kap zu nehmen als die teuren Durchfahrtsgebühren für den Suezkanal zu zahlen. Wer weiß, vielleicht lesen wir ja demnächst wieder mehr über den Fliegenden Holländer.

Das einzige Meeresungeheuer, das wir bis jetzt hier gesehen haben, ist „Yoshi“ die Loggerhead-Schildkröte im Two Oceans Aquarium – die versucht immer die Taucher im Predator Becken zu beißen. Hier am Kap kursieren auch keine Geschichten über Riesen-Kalmare oder Riemenfische aka Kraken und Seeschlangen. Wohl aber über die großen pelagischen Mondfische (auf Englisch übrigens „sunfish“), die bis zu 3m Durchmesser groß sein und an die 2000 kg wiegen können. Das Two Oceans Aquarium hat erst im September 2016 einen Mola Mola aus dem Trockendock gerettet und ins Marina Becken entlassen. Aber wer weiß denn schon, was die Seefahrer vor Hunderten von Jahren alles gesehen haben mögen. Planktonfressende Walhaie, die gut und gerne eine Länge von 10m haben können? Oder vielleicht haben sie einfach nur Riesenkelp gesehen, dass an der Wasseroberfläche gedriftet ist.

Wie auch immer, wir werden am Wochenende einen Ausflug ans Kap machen und mal wieder die „Shipwreck-Trails“ erkunden und mal schauen, was von der Thomas T. Tucker, der Nolloth und Le Napoleon noch zu sehen. In dem Sinne: schnürt die Wanderschuhe und auf geht’s ans Kap!