Die Schiffswracks am Kap
Mit der Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama im Jahre 1498 begann auch die europäische Expansion und Globalisierung. Portugiesen, Spanier, Holländer, Engländer, Franzosen – sie alle nutzten die neue Handelsroute in den Osten um Luxusprodukte wie Gewürze, Seide und Porzellan nach Europa zu bringen. Und Sklaven in die Kolonien. Allerdings war der Weg um
das Kap auch nicht ganz ohne: gefährliche orkanartige Winde, häufiger Nebel und die rauen Klippen wurden vielen Schiffen zum Verhängnis. An die 3000 Wracks aus aller Herren Länder liegen an der südafrikanischen Küste – aufgelaufen am Strand oder versunken auf dem Meeresboden. Bei einer Küstenlinie von circa 3000 Kilometern, macht das – rein statistisch gesehen – ein Wrack pro Küstenkilometer. Allein um die Kaphalbinsel soll es an die 130 Wracks geben.
Und da, wo es Wracks gibt, gibt es auch Plünderer. So eine Ladung aus dem märchen umwobenen Morgenland mit teuren Tüchern, Pfeffer und anderen Schätzen kann man schließlich nicht einfach verkommen lassen. Abgesehen davon, dass sich Schiffsplanken auch ganz gut im Hausbau und als Fußbodendielen verwenden lassen. Und so war es dann auch die Aufgabe des Resident Magistrate von Simon’s Town, sich nicht nur um Zoll- und Hafenangelegenheiten zu kümmern, sondern auch um Schiffswracks und deren Ladung. Sicherlich keine einfache Aufgabe, denn zuerst muss ja das Wrack mal gemeldet werden und dann muss man noch eine Truppe schicken, die dann das Wrack sichert. Schiff und Ladung wurden dann per Auktion – oft direkt an der Unglücksstelle – versteigert. Unter den Holländern stand auf Plünderei Tod durch Erhängen – erst unter englischer Herrschaft wurde diese drakonische Strafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt.
Simon’s Town ist der wichtigste Marinestützpunkt Südafrikas. Gegründet 1747, wurde die Stadt nach dem Gouverneur Simon van der Stel benannt, der diesen natürlichen geschützten Hafen in der False Bay 1687 entdeckte. Simon’s Town wurde besonders im Winter als Ankerplatz genutzt, da der Kapstädter Hafen während der stürmischen Monate Juni, Juli und August für Schiffe alles, nur nicht optimal war. 1795 sind dann die Briten in Simon’s Town gelandet und bauten den Hafen zum Marinestützpunkt aus. Simon’s Town war auch eine wichtige Anlaufstelle für die Alliierten Schiffe während des Zweiten Weltkrieges. Der Suezkanal war geschlossen und so wurde über den Seeweg Kriegsmaterial nach Ägypten und Libyen gebracht, um die Alliierten Truppen im Kampf gegen Wüstenfuchs Erwin Rommel zu unterstützen.
Der „Shipwreck Trail“ im Cape Point National Park führt unter anderem zu den Wracks der Thomas T. Tucker und der Nolloth (Eintritt Cape Point National Park derzeit R 135). Die Tucker war ein Liberty Ship, das am 27.11.1942 um kurz nach Mitternacht bei Olifants Bos aufgelaufen ist. Zwischen 1942 und 1945 wurden mehr als 2700 Liberty Schiffe in den USA im Rahmen eines Frachtnotschiffbauprogramms gebaut, um die großen Verluste der Alliierten durch den U-Boot Krieg auszugleichen. Benannt wurden die Liberty Frachter nach verstorbenen amerikanischen Persönlichkeiten – in diesem Fall nach Thomas Tudor Tucker, einem Kongressabgeordneten für den Staat South Carolina und späterem Schatzmeister der USA. Die Thomas T. Tucker befand sich auf ihrer Jungfernfahrt von New Orleans nach Suez; und hier vor dem Kap wurden ihr nicht die U-Boote zum Verhängnis sondern dichter Nebel. Auf der Suche nach einem Hafen, wollte der Kapitän Robben Island ansteuern. Genau, ganz schön weit abgekommen, denn von Robben Island nach Olifantsbos sind es über 40 Kilometer – und da drängt sich die Frage auf, wie ein derartiger Fehler passieren konnte. Nun, die nachfolgende Untersuchung hat ergeben, dass der Kompass um 37 Grad falsch ging, also quasi komplett falsch. Vielleicht hatte der Kompassfehler ja mit der Ladung zu tun. Abgesehen von Waffen, Ersatzteilen und Stacheldraht hatte die Tucker wohl auch sechs Sherman Panzer an Bord. Viel Eisen also. Interessant wäre jetzt zu wissen, ob Kompanden geeicht wurden bevor oder nachdem die Ladung an Bord genommen wurde. Anyway, Kapitän und Mannschaft wurden am nächsten Tag gerettet. Aufgrund der wertvollen Fracht wurde dann schon bald eine provisorische Straße zu dem Wrack gebaut und ein Camp eingerichtet. Nach Beendigung der fünf-monatigen Bergungsarbeiten, gab es einen Versuch, die Tucker wieder flott zu machen, aber das Wetter drehte und das Schiff lief auf dem Felsen auf. Heute kann man am Strand von Olifantsbos noch drei große Wrack Fragmente sehen und diversere kleinere Teile über den Strand verstreut.
Schön ist es hier auf dem „Shipwreck Trail“. Vom Parkplatz aus (ja, es gibt auch eine Toilette) führt ein kurzer Weg durch den Fynbos an den Strand – und da kann man dann herrlich wandern. Nix Kompliziertes – durch den Sand, über ein paar Felsen – das geht für alle Altersklassen. Das ist sicherlich auch für Kinder interessant, denn zum Wrack der Tucker ist es nicht allzu weit – 30 bis 45 Minuten. Festes Schuhwerk sollte schon sein (yebo, am Kap gibt’s Schlangen), ebenso Sonnenschutz, Kappi, genügend zu trinken und eine kleine Brotzeit. Ach ja und eventuell eine Windjacke – das heißt ja nicht umsonst „Kap der Stürme“. Und Augen auf: hier sieht man auch oft Austernfischer, Kap Zebras, Strausse, Eland und Schildkröten. Wenn man nach der Tucker dann noch ungefähr einen halben Kilometer weiterläuft kommt man zum Wrack der Nolloth. Insgesamt sollte man für die Wanderung an die drei Stunden einplanen.
Auf einer Fahrt von Kapstadt nach Port Elizabeth lief die Nolloth, ein holländischer Kümo, am 30.04.1965 am Albatross Rock auf und zerschellte. 1936 erbaut, fuhr sie zuerst unter dem Namen Alpha, ab 1942 unter dem Namen Leuvehaven, war von 1935 bis 1945 ein Schiff der deutschen Marine, kam dann wieder in holländischen Besitz und wurde 1955 in Reality umgetauft. Der neue Eigentümer siedelte 1956 mit seiner ganzen Familie nach Kapstadt um und als sie einen Chartervertrag mit einer Schifffahrtsgesellschaft bekamen, wurde das Schiff dann 1963 in „Nolloth“ umbenannt. An jenem verhängnisvollen Freitag 1965 hatte zumindest die Mannschaft Glück – denn sie wurden alle per Hubschrauber gerettet. Die Nolloth hatte eine überaus wertvolle Fracht geladen: Alkohol! Und so war dann auch der Zoll relativ schnell vor Ort, um die Bergung voranzutreiben. Es heißt, dass einige Ortsansässige noch schneller waren. Und es wird immer noch gemunkelt, dass man Flaschen von der Nolloth am Strand finden kann und dass das natürlich Glück bringen soll. Wir haben auch eine Flasche gefunden – leider ohne Flaschengeist und Schatzkarte. Heute sieht man am Strand noch das Ruder und den Motorblock mit zwei Zylindern.
Vom Parkplatz aus soll man die Umrisse der „Le Napoleon“ und deren Kanonen sehen können. Wir hätten da mal nix gesehen – ist aber vermutlich auch see- und wetterabhängig. Die Napoleon war ein französisches Kaperschiff und lief hier am 25.12.1805 auf Grund, nachdem sie schon seit zwei Tagen von der Britischen Königlichen Marine Fregatte Narcissus verfolgt wurde. Aus der Table Bay kommend hatte die Napoleon auch die Mannschaft der L’Atalante an Bord, die am 05.11.1805 Schiffbruch erlitten hatte. Beide Mannschaften machten sich nach dem Unglück auf den Weg nach Simon’s Town, wurden dann aber zum Castle of Good Hope gebracht. Die Franzosen informierten den Gouverneur über die herannahende englische Flotte. Die Engländer siegten in der Schlacht von Blaauwberg am 08.01.1806 und wurden die neuen Herren am Kap. Es heißt, dass die Unglücksraben der Napoleon und der L‘Atalante vom Gouverneur gleich für die Blaauwberg Schlacht rekrutiert wurden, aber dass die Engländer ihnen nach der Kapitulation gewährt haben, mit dem nächsten Schiff in die Heimat zurückzukehren. Seemannsgarn? Keine Ahnung, aber eine gute Geschichte!
Schiffswracks üben seit jeher eine Faszination aus. Schatzjäger hoffen auf Ruhm und Reichtum. Archäologen hingegen versuchen, Geheimnisse der Geschichte zu entschlüsseln und wichtige Funde für die Nachwelt zu erhalten. Bis 1999 konnten Schatzjäger ala Indiana Jones die Hälfte von dem, was sie gefunden haben, behalten. Mit dem „National Heritage Resources Act no 25“ von 1999 zum Schutz von Kulturgütern wurde ihnen allerdings der Riegel vorgeschoben: jedes Wrack, das seit mehr als 60 Jahren im Wasser liegt, gehört dem Staat. Die SAHRA (South African Heritage Resources Agency) entscheidet dann weiter, was zum Schutz des Wracks unternommen wird.
Wie wichtig die Arbeit der Archäologen für das generelle historische Verständnis ist, zeigt die Erforschung des Wracks der „Sao Jose Paquete Africa“, die am 27.12.1794 direkt am Clifton Third Beach gesunken ist. Die Sao Jose war ein Sklavenschiff, auf dem Weg von Mosambik nach Brasilien (beides portugiesische Kolonien), wo gut 400 Sklaven an die Zuckerrohrplantagen verkauft werden sollten. Die Sao Jose war eines der ersten Sklaven Transporter nach Südamerika und insgesamt gehen die Forscher davon aus, dass mehr als 400.000 Mosambikaner nach Südamerika verschleppt worden sind. Das Schiff war am 03.12.1794 in Mosambik ausgelaufen und geriet am Kap in schwere See – der Kapitän wollte dem Sturm ausweichen und hielt sich nah der Küste, wo das Schiff dann auf einem Felsen auflief. Die Mannschaft hat sich und an die 200 Sklaven gerettet, die ein paar Tage später auf dem Kapstädter Sklavenmarkt verkauft wurden. Das schwarze Gold musste schließlich zu Geld gemacht werden. Die restlichen Sklaven ertranken jämmerlich, immer noch angekettet, als das Schiff auseinanderbrach. Das Wrack wurde bereits in den 1980ern entdeckt und für einen Ostindienfahrer gehalten. Erst als man Eisenbarren entdeckte, die auf Sklavenschiffen zur Stabilisierung verwendet wurden, und als der Kurator des Iziko Museums 2010 auf das Logbuch der Sao Jose stieß, begann man hier mit den Ausgrabungen. Die bisherigen Funde (Fußfesseln, Eisenbarren, Ketten) gingen 2016 in die USA, wo sie als Leihgabe im Smithsonian Museum für Afrikanisch-Amerikanische Geschichte ausgestellt sind. Die Ausgrabungen werden wohl noch Jahre andauern und weitere wertvolle Informationen über Sklavenschiffe liefern.
Wer noch ein wenig mehr über die Seefahrt und den Kapstädter Hafen erfahren möchte, kann ja auch mal im Kapstadt Maritime Centre an der Waterfront vorbeischauen (Eintritt R20).