Bettler, Obdachlose und Straßenkinder
Laut dem „Department for Social Development“ (Abteilung für soziale Entwicklung) gab es hier 2015 geschätzte 7.000 „Street People“. Neuere Zahlen gibt es nicht – gefühlt sind das in den letzten drei Jahren aber sehr viel mehr geworden. Und jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. Die Gründe für Armut und Obdachlosigkeit sind Vielfältig: Arbeitslosigkeit, mangelnde Bildung, Drogen- und Alkoholmissbrauch, häusliche Gewalt, psychische Erkrankungen, körperliche Gebrechen, ungewollte Schwangerschaften – die Liste ist endlos. Wer zum ersten Mal nach Kapstadt kommt ist schockiert. Schockiert über die Anzahl an Menschen, die den Gehsteig ihr Zuhause nennen, schockiert über tanzende und bettelnde kleine Kinder, schockiert über das Ausmaß der Armut generell, die man sich in Europa so nicht vorstellen kann. Und man hat ein schlechtes Gewissen, ein sehr schlechtes Gewissen sogar.
Ein komplexes und emotionsgeladenes Thema. Betteln ist nicht verboten per se – aggressives Betteln schon. Laut Gesetz ist es auch verboten, auf der Straße zu schlafen oder Behelfsbehausungen zu errichten. Aufgabe der Stadt ist es wiederum, das Gesetz aufrecht zu erhalten – und so musste die Stadt im letzten Jahr 15.000 Beschwerden nachgehen. Aber was nutzt es schon, wenn man einem Obdachlosen eine Geldstrafe verpasst oder des Platzes verweist? Nichts – einem Nackten kann man nicht in die Tasche greifen. Und wer verzweifelt ist und keine Perspektive hat, landet wieder auf der Straße. Insgesamt ist ein ganzheitlicher Ansatz nötig, dem die „Street People Unit“ – eine Unterabteilung des „Department for Social Development“ – versucht gerecht zu werden. Die SPU bietet Hilfe und Unterstützung bei der Unterbringung in Obdachlosenheimen, Familienzusammenführungen, beantragen von Ausweisdokumenten und Sozialleistungen, Entzugsprogrammen, Förderung und (Weiter)Entwicklung von beruflichen Qualifikationen und vermittelt auch kurzfristige Beschäftigungen. Aber es passiert trotzdem leider zu wenig und es gibt auch viele Menschen, die sich nicht helfen lassen wollen. In den Obdachlosenheimen herrschen strenge Regeln: Rauchen verboten, Männer und Frauen schlafen getrennt, kein Alkohol etc. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Kapstädter Essen oder Kleidung geben und dass den Touristen (oft) das Geld locker in der Tasche sitzt – was letztendlich alles dazu beiträgt, dass die Menschen weiterhin auf der Straße leben. Hier verdient eine Reinigungskraft oder ein Gärtner durchschnittlich R 200 am Tag oder ungefähr R 4000 im Monat. Wenn man durch Bettelei mal hier R 10 bekommt und da R 20, mal Kleidung und mal Essen, wo ist der Anreiz zu arbeiten? Und letztendlich ist es ja auch so, dass Kinder, die auf der Straße singen und tanzen nicht zur Schule gehen. Heute niedlich und in 10 Jahren Analphabet ohne Perspektive.
Eine helfende Hand zu reichen und langfristige Lösungen zu finden ist mit Sicherheit ein besserer Ansatz als Almosen auszuteilen. Es gibt in Kapstadt einige Projekte, die man gut und gerne unterstützen kann:
Das „Haven Night Shelter“ wurde 1978 als NPO gegründet und inzwischen gibt es 15 „Haven“ Obdachlosenheime in der Stadt. Eine Übernachtung kostet R12 – wer gar kein Geld hat, kann bis zu 30 Tage umsonst übernachten, muss aber mitarbeiten (z.B. in der Küche). Das Haven bemüht sich um Reintegration, hilft bei der Vermittlung von Jobs und Familienzusammenführungen. Helfen kann man durch Sachspenden wie Kleidung und Toilettenartikel oder Geldspenden für zum Beispiel die „Buy A Bed“ Aktion. Für R60 ermöglicht man einem obdachlosen Menschen fünf Übernachtungen.
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„The Big Issue“ – ein Straßenzeitungsprojekt, das 1997 ins Leben gerufen wurde. Die Zeitung erscheint monatlich im hochwertigen Vierfarbdruck und über das Jahr verteilt werden immerhin 140.000 Exemplare verkauft. Dieses Projekt ist Hilfe zur Selbsthilfe: die rund 150 Verkäufer, allesamt Mikrounternehmer, kaufen die Zeitung für R 12.50 und verkaufen sie für R 25. Ziel von TBI ist es, Frauen zu stärken und sozial schlechter gestellten Menschen Arbeit und Verdienst zu ermöglichen; TBI bietet außerdem Verkaufstrainings und Unterstützung in sozialen Angelegenheiten. Langfristig plant die NPO auch ein Kinderbetreuungsprojekt für Mitarbeiterinnen mit kleinen Kindern. Die Verkäufer stehen in der Regel an den Ampeln und ansonsten kann man die Zeitung auch online beziehen.
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Streetsmart wurde 2005 unter der Schirmherrschaft des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu ins Leben gerufen. Diese NPO unterstützt Kinderprojekte in Kapstadt und sechs anderen südafrikanischen Städten mit dem Ziel, den Kindern ein Zuhause, Bildung und Perspektiven für die Zukunft zu ermöglichen. Das Konzept ist wunderbar einfach und effektiv: partizipierende Restaurants schlagen R5 auf die Rechnung, die der Streetsmart Organisation zu Gute kommen. Großzügige Gäste können natürlich auch gerne mehr geben. Im ersten Jahr des Bestehens kamen immerhin R 150.000 zusammen, mittlerweile sind es jährlich über R 1 mio.
Mehr Informationen über Streetsmart und partizipierende Restaurants gibt es hier
Und zu guter Letzt gibt es noch die „Show You Care“ Mitmach-Kampagne von der Stadt. Die Initiative wurde 2008 unter dem Motto „Give Responsibly“ (gebt verantwortungsvoll und –bewusst) ins Leben gerufen. Der Standpunkt der Stadt ist klar: wer einem Bettler Geld gibt, trägt letztendlich dazu bei, dass dieser Mensch weiterhin auf der Straße lebt. Die Stadt appelliert an alle, keine Almosen zu geben sondern an NGOs zu spenden, die sich um Reintegration in die Gesellschaft bemühen. Mit dieser Kampagne unterstützt die Stadt auch die Kinderwohnheime „The Homestead“ für Buben und „Ons Plek“ für Mädchen. Spenden ist einfach: um R 10 zu spenden, schickt man einfach eine SMS mit dem Text „GIVE“ an die Nummer 38088. Oder aber die Snapscan App runterladen, den QR code scannen und einen eigenen Betrag spenden. Die Stadt hat desweiteren acht „Safe Places“ in Planung – mit Schlafstätten, Küchen, Toiletten und Duschen – um einfach auch ein Familienleben zu ermöglichen.
Show you care and give responsibly!