November ist immer ein wichtiger Monat in Südafrika. Es ist nicht nur Anfang der Sommersaison sondern auch der Monat, in dem das „Eat Out“ Magazin die lang ersehnte Liste der besten Restaurants des Landes veröffentlicht. Nachdem es auf dem afrikanischen Kontinent keine Michelin Sterne gibt, ist „Eat Out“ die Bibel für alle Food-Lover. Und dieses Jahr sind gleich neun der zehn besten Restaurants in Kapstadt und Umgebung. Soll heißen: wir sind hier schon sehr verwöhnt, was Essen und Trinken angeht.
Eine ganz andere Nummer ist allerdings die Trinkgeldkultur. Während in den Top-Restaurants gut geschultes Personal für hervorragenden Service sorgt, kann es in dem „Restaurant um die Ecke“ schon mal passieren, dass der Service unter Standard ist. Trotzdem werden immer mindestens 10% Trinkgeld erwartet. Bei Tischen von vier Personen oder mehr werden oft schon 10% „Service Charge“ auf die Rechnung aufgeschlagen und dann steht der Betrag nicht notwendigerweise unten auf der Rechnung klar ausgezeichnet, sondern versteckt sich irgendwo unter den anderen Posten. Weiterhin gibt es nur eine Rechnung pro Tisch. Ob das Trinkgeld dann bei der Tischbedienung bleibt oder unter allen Angestellten aufgeteilt wird, liegt im Ermessen der Restaurantleitung.
Hier in Südafrika wird gerne argumentiert, dass die Leute, die im Service arbeiten wenig bis nichts verdienen und dass das Trinkgeld zu ihrem Lebensunterhalt beiträgt. Und auch, dass ein Trinkgeld die Bedienung motiviert, besseren Service zu liefern. Tja. Im Umkehrschluss heißt das natürlich auch, dass sicherlich manch eine Bedienung gute Miene zum bösen Spiel macht und sich alles Mögliche gefallen lässt, um eben einen guten Tip zu bekommen. Ich finde das Ganze mehr als schwierig, denn der Gast zahlt gleich zwei Mal: das Essen und das Personal.
Entstanden ist die Trinkgeldkultur in England: zu Zeiten der industriellen Revolution hat sich eine neue Oberschicht mit Zeit und Geld gebildet. Und genau, was macht man, wenn man einen schönen Abend verbringen möchte? Man geht in ein Restaurant. Und um einen guten und schnellen Service zu gewährleisten, gibt man einen Tip („to insure promptitude“). Für die findigen Arbeitgeber war schnell klar, dass das Personal sich über Trinkgeld finanzieren kann und dass man die Bedienungen entsprechend nur minimal entlohnt.
Für mein (sehr) deutsches Verständnis sollte ein Trinkgeld eine Anerkennung für guten Service sein und nicht die Entlohnung für eine Arbeitsleistung. Schwierig in einem Land wie Südafrika. Ich gebe gerne ein Trinkgeld für guten Service, aber ich bin auch mittlerweile dazu übergegangen, kein Trinkgeld zu geben, wenn der Service hinten und vorne nicht passt. Wie neulich: wir waren zu zweit in einem Lokal und haben zwei Getränke und zwei Essen bestellt. Es hat ewig gedauert und ein Essen war falsch. Wir haben es trotzdem genommen, denn sonst wäre es weggeschmissen worden. In Afrika auch immer schwierig. Aber wir haben kein Trinkgeld gegeben und auch erklärt warum: 25% der Bestellung waren falsch und da sind ein Smiley auf der Rechnung und ein „oooh sorry“ leider nicht ausreichend.
Trinkgeld ist hier so selbstverständlich, dass oft zu wenig Wert auf Details gelegt wird. Viele Bedienungen sind auch keine Gastro-Profis, schlecht geschult und arbeiten nur temporär in der Gastronomie, um Geld zu verdienen. Wenn der Service wirklich überhaupt nicht passt und ich kein Trinkgeld geben sollte, lasse ich den Manager kommen und erkläre warum.
(alle Bilder Platzhalter; unsplash.com)