Himba – zwischen Tradition und Moderne

Im Kaokoland, ganz oben im Norden zwischen dem Kunene und dem Ugab leben die Himba, das letzte halb-nomadische Hirtenvolk Namibias. Man geht davon aus, dass die Himba ursprünglich ein Teil des Herero Stammes waren und im 16. Jahrhundert aus Angola oder dem Betschuanaland (dem heutigen Botswana) nach Namibia kamen – da ist sich die Wissenschaft nicht so ganz einig. Hier in diesem unwirtlichen Teil des Landes blieben sie weitgehend verschont von der Kolonialisierung und überlebten sowohl katastrophale Dürren als auch den namibischen Freiheitskampf, bei dem sie sich den südafrikanischen Truppen anschlossen. Das „rote Volk“ pflegt auch heute noch seine Kultur und die Jahrhunderte alten Traditionen, was im Zeitalter der Moderne immer schwieriger wird.  Als ethnische Minderheit machen die Himba weniger als 1% der Bevölkerung aus – bei geschätzten 2.3 mio Einwohnern, sind das dann weniger als 23.000 Menschen. An die 50 Clans soll es hier im Kaokoland geben, die mit ihren Ziegen- und Rinderherden von einem Weidegrund zum nächsten ziehen und dabei auch gerne Strecken von 300 Kilometern und mehr zurücklegen.  Materieller Besitz bedeutet den Himba wenig – ihr ganzer Stolz sind die Herden.

Himbas

Gute 20 km außerhalb von Kamanjab liegt das Himba Dorf Otjikandero – ein 1999 initiiertes Projekt zur Betreuung von Waisenkindern. Unser Guide, Pinjas, kaut auf einem Zweig herum und erklärt die alten Traditionen wie das Rauchbad, das Heilige Feuer und den Ahnenkult. Oder auch, dass die Himba polygam leben und eine bilineare Abstammung haben, soll heißen jeder Mensch gehört sowohl dem Clan des Vaters als auch dem Clan der Mutter an. Und dass das Lobola (Brautgeld) fünf Kühe beträgt. Im Alter von 10 – 12 Jahren werden den Himba traditionell die unteren vier Schneidezähne mit einem Stein und einem Stück Holz ausgeschlagen. Pinjas scheint es nicht sonderlich zu bedauern, dass er  außerhalb auf einem Internat war und ihm diese Schönheits-OP erspart blieb. An der ausgetüftelten Haartracht und an dem prächtigen Schmuck aus Leder und Muscheln erkennt man den gesellschaftlichen Status, so haben z.B. junge Mädchen vor der Pubertät zwei Zöpfe, die ins Gesicht fallen und erst danach die roten Zöpfe, die über die Schulter fallen. Überhaupt symbolisiert Rot für die Himba Schönheit – das Einreiben mit der roten Paste aus Butterfett und Ocker, um die Haut vor Sonne und Insektenstichen zu schützen, ist ein zelebriertes tägliches Ritual. Allerdings sieht man immer öfters westliche Kleidung und Frisuren … und Solarpanele an den Hütten (nein, nicht zum Laden der Handys sondern für das Licht). Hier in Otjikandero gibt es eine kleine Schule um den Kindern grundlegende Englisch-Kenntnisse, Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln. Ein guter Ansatz an sich. Die Frauen im Dorf verkaufen Schmuck, Dosen aus Horn und Leder und verzierte Kalebassen. Klar, wir kaufen auch und verabschieden uns dann mit einem „Okuhepa“ aus dem Dorf. Am nächsten Tag suchen die Frauen nach Mitfahrgelegenheiten zum dem Supermarkt in Kamanjab, wo sie sich mit zucker- und kohlensäurehaltige Getränke eindecken.

Himba Kind

Die 2007 verabschiedete UN Deklaration über die Rechte der indigenen Völker (61/295) besagt, dass einheimische Völker das Recht haben „ihre eigenen Bildungssysteme- und institutionen einzurichten und zu kontrollieren, in denen in ihrer eigenen Sprache und in einer ihrer kulturspezifischen Lehr- und Lernmethoden entsprechenden Weise unterrichtet wird.“ Aber es gibt in Namibia auch eine Schulpflicht vom ersten bis zum siebten Schuljahr. Seit 2013 ist die Schulbildung im Rahmen der UPE (Universal Primary Education) kostenlos – man darf in diesem Zusammenhang ja immer auch nicht vergessen, dass Namibia eine sehr junge Nation ist und erst 1990 als letztes Land in Afrika seine Unabhängigkeit erreicht hat. So hat das Bildungsministerium etliche Hundertmillionen Namibia Dollar in die Infrastruktur für „Mobile Schulen“ in entlegene Gebiete investiert, zudem werden Aufklärungsgespräche mit Gemeinden und Stammesältesten geführt. Dort, wo permanente Schulen errichtet werden, gibt es auch Hostels und ein Schulernährungsprogramm, um Kindern den weiten Schulweg zu ersparen. Und nein, Himba müssen keine Schuluniform tragen. Aber da, wo man ohne Geburtsurkunde und Ausweis lebt und große Familien das Überleben sichern, werden die wenigsten Kinder zur Schule geschickt. Junge Männer wie Pinjas, die außerhalb zur Schule gehen dürfen sind wohl eher die Ausnahme. Die Fluggesellschaft Condor unterstützt hier sehr großzügig ein interessantes Schulprojekt in Omuhongo, bei dem für junge Himba Wege in die Zukunft aufgezeigt werden sollen – hier wird  auf Englisch und Otjiherero unterrichtet und ab diesem Jahr soll auch das Fach „Volkskunde“ eingeführt werden.

Die UN Deklaration gesteht einheimischen Völkern weiterhin „das Recht auf Ländereien, Gebiet und Ressourcen, die sie traditionell besitzen, bewohnen oder anderweitig nutzen oder erlangt haben“ zu. Der ganzjährig wasserführende Kunene ist nicht nur die nördliche geographische Grenze des Kaokolandes sondern ist auch der Grenzfluss zwischen Namibia und Angola – und die beiden Nachbarländer sind schon seit den 1970er Jahren immer wieder in Verhandlungen über die gemeinsame wasser- und energiewirtschaftliche Nutzung des Flusses. Namibia importiert bis zu 60% des Stroms aus den Nachbarländern Südafrika, Sambia und Zimbabwe – aber die Hälfte des Landes ist weitgehend ohne Strom. Eine Machbarkeitsstudie aus den Jahren 1995 – 1998 hätte einen Staudamm an den Epupa Fällen vorgesehen – die Himba konnten dies durch Proteste und internationale Unterstützung Ende der 1990er verhindern, hätte der Bau doch die Flutung der Ahnengräber und von Weideland bedeutet. Nun ist aber der Bau des Orokawe Hydropower Projektes circa 200 Kilometer entfernt in den Baynes Bergen seit Ende 2016 eine beschlossene Sache. Ein sechsjähriges Bauvorhaben mit einem Investment von über einer Milliarde US Dollar, wobei 57 km² Land geflutet werden. Das wird die Region nachhaltig verändern und langfristig hoffentlich dazu beitragen durch Infrastruktur und neue Jobs die Armut einzudämmen – limitiert aber auch den traditionellen Lebensraum der Himba und wird sie weiter mit westlicher Lebensweise in Berührung bringen. Insgesamt ein mehr als schwieriger Spagat zwischen Tradition, Identität und dem Anschluss an eine neue Welt. Und ich frage mich spontan, was in diesem Zusammenhang nachhaltiger Tourismus bedeutet? Wie fördert man Respekt und Verständnis für eine alte Kultur?

 

Link zum Condor Schulbau Projekt

 Link zu The Namibian – Himba und Schulbildung

Link zum Himba Dorf