Unendliche Weiten, Giraffen, die am Horizont malerisch an Akazienbäumen vorbeiziehen, Elefantenherden am Wasserloch bei grandiosen, tieforangen Sonnenuntergängen… So habe ich mir als Kind Afrika vorgestellt! Und genau das alles kann man in dem knapp 23000 km² großen Etosha Nationalpark im Norden Namibias erleben…und vieles mehr.
Der Park ist das bedeutendste Schutzgebiet des Landes und umfasst die ca. 4700 km² große Etoshapfanne. Ausgerufen wurde das Naturschutzgebiet übrigens bereits im Jahr 1907 durch den damaligen Gouverneur von Deutsch-Südwest, Friedrich von Lindequist. Zu der Zeit war das „Game Reserve“ ungefähr 4.5 Mal so groß und erstreckte sich bis zur Skelettküste. Der Tierbestand war durch Jagd und Wilderei derart geschrumpft, dass die Ernährung der Bevölkerung gefährdet war. Elefanten wurden hier zum letzten Mal so um 1880 gesehen und es gab so gut wie keine Antilopenherden mehr. Von Lindequist sah Handlungsbedarf. Der Name „Etosha“ stammt aus der Oshivambo Sprache und bedeutet so viel wie „großer weißer Platz“. Im Laufe der Zeit erholten sich die Tierbestände, aber im Rahmen der Landerschließung wurde das Schutzgebiet verkleinert. 1964 wurde das Gebiet dann zum Nationalpark erklärt.
Heute tummeln sich hier 114 Säugetierarten, 340 ansässige Vogel- und Zugvogelarten sowie diverse Reptilien- und Amphibienarten. Es gibt natürliche Wasserlöcher, aber keine fließenden Gewässer. Und da 850km Zaun verhindern, dass die Tiere in Trockenzeiten zum ganzjährig wasserführenden Kunene wandern, wurde das Anlegen von künstlichen Wasserlöchern notwendig. Über 3550km Straße ziehen sich durch den Park und führen an den insgesamt 86 Wasserlöchern vorbei. Nun ja, die Straße ist mal besser und mal schlechter. Wenn sich speziell im westlichen Teil des Parks dann Termitenhügel auf den Straßen türmen, wird einem schnell klar, dass der Grader (Erdhobel) hier nicht so oft durchfährt. Soll heißen die Fahrt im westlichen Teil des Parks ist mühsam und extrem holprig.
Bis 2014 war nur der östliche Teil des Parks für alle Besucher zugänglich entweder durch das King Nehale Gate im Norden, das Lindequist Gate ganz im Osten oder das Anderson Gate im Süden. Den westlichen Teil durch das Galton Gate konnte man nur in Begleitung von Reiseführern mit spezieller Konzession besucht werden. Heute ist der komplette Park für alle Besucher geöffnet. Bei Einfahrt in den Park muss man ein Permit erwerben und die Tagesgebühr gleich für den kompletten Aufenthalt im Park bezahlen. Dieses Jahr lag die Gebühr bei N$ 80 pro Person, also bei ungefähr EUR 5. Die Kartenlesegeräte an den Eingängen funktionieren meistens nicht, man sollte also Bargeld dabeihaben und jeder Parkbesucher muss einen Ausweis vorlegen. Erfreulicherweise ging das dieses Jahr alles sehr flott. Entlang der südlichen Grenze des Etosha Parks verläuft auch die sogenannte „red line“ – ein Veterinärzaun. Den gibt’s seit Kolonialzeiten, als 1897 die Rinderpest ausbrach, und er soll gesunde Nutztiere von kranken trennen. Nachdem es immer wieder zu Ausbrüchen von Maul- und Klauenseuche kommt, bleibt der Zaun – bis heute. Im Klartext heißt das: man kann Fleisch und Eier mit in den Park reinnehmen, aber nicht raus. Bei Verlassen des Parks werden die Fahrzeuge kontrolliert und Fleisch und Eier (sollte man noch Vorräte haben) konfisziert.
So günstig die Parkeintrittsgebühren sind, umso höher sind die Preise, wenn man sein Zelt in einem der vier Camps aufschlägt oder etwas luxuriöser in einer der beiden Lodges übernachten möchte. Für die Campsites muss man ab der nächsten Saison (2019/20) zwischen N$ 333 und N$ 389 pro Person hinblättern (immerhin auch gute EUR 20) und wer das Jenseits-von-Afrika-Feeling in der Dolomite oder Onkoshi Lodge erleben möchte zahlt ab N$ 2200 (ca. EUR 138) pro Person im Doppelzimmer. Man sollte vorbuchen. Speziell in der Wintersaison zwischen Mai und Oktober kann es sonst schwierig werden.
Der Etosha Park ist ein tierischer Spaß im wahrsten Sinne des Wortes, ist aber kein Streichelzoo. Im Okaukuejo Camp lerne ich Allie kennen, die ursprünglich aus Kapstadt ist, jetzt in Australien lebt und jedes Jahr nach Namibia kommt. Wir machen uns für die morgendliche Pirschfahrt fertig – mit Daunenjacke und Handschuhen. Nachts kann hier ganz schön kalt werden mit Temperaturen so an die Null Grad. Das Zähneputzen gestaltet sich schwierig: ich drehe das Wasser am ersten Waschbecken auf und es läuft das Wasser am vierten Becken. TIA – this is Africa! Zwischenzeitlich erzählt mir Allie die Geschichte von dem Touristen aus China, der aus dem Auto ausgestiegen ist und gleich vom Leoparden geholt wurde. Claire, die ebenfalls aus Kapstadt ist, gesellt sich dazu und bestätigt die Geschichte. Eine von diesen urbanen Legenden? Vermutlich, aber wir sehen tatsächlich Menschen an den Wasserlöchern, die aussteigen und in aller Ruhe ihr Stativ aufstellen oder sich gegenseitig bei Yoga-Posen fotografieren. Was soll ich sagen? Wer nicht als Katzenfutter oder traurige Youtube-Berühmtheit enden will, bleibt im Auto.
Wurden 1954 lediglich 26 Elefanten im Park gezählt, waren es Ende der 1960er bereits an die 500. Heute geht man von einer Population von 2500 Tieren aus. Und wenn dann Colonel Hathi mit seiner Truppe ans Wasserloch kommt, ist schnell klar, wer hier der Chef ist. Zebras, Antilopen und Warzenschweine machen sofort Platz und halten sich im Hintergrund.
In den 1970er Jahren gab es gleich zwei Rettungsaktionen: die letzten Spitzmaulnashörner und die letzten endemischen Schwarznasenimpalas aus der Kunene Region wurden in den Etosha Park umgesiedelt. Impala Antilopen wurden bereits in den 1990ern wieder ausgewildert – die Population wird heute auf 4000 Tiere geschätzt, wovon rund die Hälfte im Etosha Park lebt. Erst im Jahr 2007 wurden wieder Nashörner in die Kunene Region zurückgebracht. Und die genaue Zahl der im Park lebenden „Rhinos“ wird nicht bekannt gegeben. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es Schätzungen zufolge noch 25.000 Nashörner – 5000 davon sind die vom Aussterben bedrohten Spitzmaulnashörner. 80% dieser Nashornpopulation lebt im südlichen Afrika. Wilderei ist nach wie vor ein großes Problem – in Asien wird ein Kilo Horn ab ca. $ 30.000 gehandelt. Die Namibian Defense Force (NDF) und Polizei fahren regelmäßige Operationen gegen Wilderer. Trotz den drohenden, heftigen Strafen für die Täter – Geldstrafen bis zu einer Höhe von N$ 5 Millionen (ca. EUR 313.000) oder Freiheitsentzug bis zu 25 Jahren – und hohen Belohnungen für Informanten, lag die Zahl der gewilderten Nashörner letztes Jahr im August bereits bei 25 Tieren.
Auch die schnellste Katze der Welt, der Gepard, gilt als gefährdet. Weltweit geht man von einer Population von lediglich 7100 Tieren aus. Eine Studie der „Range Wide Conservation Program for Cheetah and African Wild Dogs”, die zwischen 2010 und 2016 in Namibia, Süadfrika, Botswana und Zimbabwe durchgeführt wurde, kam zu dem traurigen Schluss, dass in diesem Gebiet nur knapp 3600 Geparden leben. Umso schöner dann, wenn man diese schönen Tiere gleich als erstes bei der morgendlichen Pirschfahrt sieht. Elegant und langbeinig, Ausschau haltend von einem Termitenhügel aus.
Und was haben wir sonst noch gesehen? Giraffen, Gnus, Zebras, diverse Antilopen, einen Honigdachs, einen Erdwolf (Premiere – zum ersten Mal) und ja, sehr viele Löwen. Yebo, nach dem Etosha ist vor dem Etosha – die Planungen für nächstes Jahr laufen schon!