Faszination Weißer Hai
DAM-dam. DAM-dam. DAM-da DAM-da. DAM-da DAM-da DAM-da DAM-da. Das Leitmotiv des Steven Spielberg Gruselklassikers „Der Weiße Hai“ aus dem Jahr 1975 kennt jeder. Die suggestive Filmmusik von John Williams wurde mit einem Oscar, einem Grammy und einem Golden Globe ausgezeichnet. Zuschauer strömten in die Kinos, Strände blieben leer – der Mythos eines Monsters war geboren. Eine seelenlose Fressmaschine, die aus der Tiefe emporschießt und alles verschlingt, was nicht schnell genug ist.
Der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) kommt weltweit in allen gemäßigten Küstengewässern vor, also auch im Mittelmeer. Mit einer Länge von vier bis sieben Metern, einem Gewicht von gut und gerne über drei Tonnen, dem spindelförmigen Körper, den schwarzen Augen, der deutlichen Abgrenzung zur weißen Unterseite und dem Revolvergebiss (d.h. die Zähne werden zeitlebens nachgebildet), fällt er ja auch nicht unbedingt in die Kategorie „Kuscheltier“. Kein Planktonfresser sondern ein Räuber an der Spitze der Nahrungskette, ein „apex predator“ oder „Spitzenprädator“ auf gut Deutsch. Sie können bis zu 70 Jahre alt werden, aber langsames Wachstum, späte Geschlechtsreife (12 – 14 Jahre), Überfischung und die weitere Eroberung des Ozeans durch den Menschen führen zu einem Verlust von Lebensraum und stark dezimierten Zahlen. Eine Studie der Stanford University in Kalifornien aus dem Jahr 2010 kam zum dem Schluss, dass die weltweite Population bei weniger als 3.500 Tieren liegt. Um das in Kontext zu setzen: die weltweite Population der Spitzmaulnashörner wird auf circa 5.000 Tiere geschätzt. Dementsprechend ist der Weiße Hai in der Roten Liste der gefährdeten Arten des IUCN geführt und auch im Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens.
Südafrika war das erste Land weltweit, dass den Weißen Hai 1991 unter Schutz gestellt hat und seitdem boomt der Käfigtauch-Tourismus ganz besonders hier in der False Bay. Während Käfigtauchen in Simon’s Town nur saisonal von Februar bis September möglich ist, herrscht in Gansbaai und Mossel Bay ganzjährige Saison. Gansbaai – circa 160km südöstlich von Kapstadt gelegen – gilt weltweit als einer der besten Spots um Weiße Haie zu beobachten. Und die „Gänsebucht“ hat sich dann auch von einem beschaulichen Fischerdorf zu einem Städtchen mit über 12.000 Einwohnern und acht Anbietern für Käfigtauchen gemausert. Zwischen 2001 und 2016 wurden in der False Bay auch die acht Filme der „Air Jaws“ Serie für den Discovery Channel abgedreht. Und „Air Jaws“ trifft es ziemlich gut – die Haie schießen aus der Tiefe empor, „fliegen“ quasi durch die Luft und schnappen nach ihrer Beute. Dieser Adrenalinkick hoch zehn steht mittlerweile auch bei 80.000 Südafrika Touristen auf der „To Do“ Liste. An die EUR 140 kostet das Käfigabenteuer und Sichtungen sind so gut wie garantiert, da der „Great White“ keine natürlichen Fressfeinde hat. Oder doch?
Seit 2015 werden immer wieder zwei Orcas in der False Bay gesichtet, die aufgrund ihrer kollabierten Rückenflossen – bei dem einem knickt sie nach links und bei dem anderen nach rechts – von den Einheimischen schnell die Namen „Port“ und „Starboard“ bekamen. Karkassen von Siebenkiemern wurden zunächst nicht untersucht – es war nur auffällig, dass an den klassischen Siebenkiemer-Tauchplätzen keine Tiere mehr gesichtet wurden, sobald Orcas in der Bucht waren. Im Laufe des Jahres 2017 wurden dann fünf Kadaver von Weißen Haien angespült. Bei allen war die nährstoff- und fettreiche Leber mit „chirurgischer Präzision“ entfernt worden – alle anderen inneren Organe waren noch vorhanden und intakt. Immer nachdem Port und Starboard gesichtet wurden. Schwertwale oder Orcas (Orcinus orca) sind hochspezialisierte Jäger, die in sozialen Gruppen mit ausgefeilten Jagdstrategien auftreten. Mit einer Länge von acht bis knapp zehn Metern und einem Gewicht von rund sechs Tonnen sind sie auch wesentlich größer und massiger als der Weiße Hai. Forscher gehen davon aus, dass die Orcas den Weißen Hai von unten rammen und ihn so auf den Rücken drehen. Der Hai kann in dieser Lage nicht schwimmen und erstickt, denn ohne Schwimmbewegung strömt auch kein sauerstoffreiches Wasser durch die Kiemen. Und dann können die Orcas mühelos die Leber entfernen. Fragt sich, was sich in der Nahrungskette der Orcas etwas geändert hat und warum sie jetzt den „Great White“ jagen.
Räuberische Haie sind ein wichtiger Faktor für ein vielfältiges und gesundes Ökosystem. Entfernt man den Spitzenprädator, so entsteht eine Überpopulation einer anderen Art. Eine Studie der Stellenbosch University aus dem Jahr 2011 hat die Population der Weißen Haie an der südafrikanischen Küste auf maximal 300 – 500 Tiere geschätzt. Seitdem Port und Starboard ihr Unwesen zwischen Kapstadt und Gansbaai treiben, sind die Weißen Haie größtenteils aus der False Bay abgewandert. Dafür werden vermehrt Bronze- oder Kupferhaie verzeichnet. Oder Siebenkiemer um Seal Island. Bleibt die brennende Frage, ob die Orcas irgendwann abziehen und ob dann die weißen Haie in diesen Stückzahlen wieder in die False Bay zurückkommen.
Alles zum False Bay Thriller um den Weißen Hai in dem Discovery Air Jaws Video „The Hunted“ .