Kapstadt zählt nicht umsonst zu den schönsten Städten der Welt. Die Traumkulisse am Tafelberg hat ja auch definitiv was. Soll heißen, dass wir natürlich schnell alles Gute und Schöne sowie eine großartige Work-Life-Balance für uns angenommen haben. Jap, und wir lieben Braai, Biltong und Boerewors. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, an die ich mich vermutlich nie richtig gewöhnen werde.   

Zeitfaktor

Nicht umsonst hat die Kapmetropole den Beinamen „Slaapstadt“ (Schlafstadt) – hier ticken die Uhren sehr viel langsamer als in anderen Teilen der Welt. Als wir hier ganz neu hier waren hat mal jemand zu mir gesagt: „Weißt du, die Europäer haben alle Uhren, aber Afrikaner haben Zeit.“ Super, wenn man an Urlaub denkt oder an einen gemütlichen Nachmittag mit Freunden. Wenn man aber etwas erledigen muss, sollte man viel Geduld haben. Handwerker für 11:00 bestellt? Kann sein, dass die Truppe erst um 15:00 antanzt. Termin bei einer Behörde? Besser was zu Essen und zu Trinken mitnehmen. Termin beim Frisör und keiner da? Oh sorry, ich habe keinen Parkplatz gefunden. Ähm – OK. Und Zeitwörter wie „now now“ und „just now“ entziehen sich meinem (sehr deutschen) Zeitverständnis. Was soll denn bitte auch „jetzt-jetzt“ oder „jetzt-dann“ schon heißen? Eben nichts – das kann alles sein von „jetzt“ bis „keine-Ahnung-wann“. Aber das Gute ist ja, dass man selber auch von seinem Stresspegel runterkommt. Meistens. Manchmal.

Cape Town Smile

Kapstadt macht gute Laune – da muss man ja den ganzen Tag mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht rumlaufen, oder? Falsch. „Cape Town Smile“ ist ein hübscher Euphemismus für eine Zahnmodifikation , bei der absichtlich die oberen vier Schneidezähne entfernt werden. Ein Trend, der hauptsächlich unter der Coloured Bevölkerung in den Cape Flats verbreitet ist. Über den Ursprung ranken sich Mythen und Legenden – angefangen von Sklaven, die ihren Herren eins auswischen wollten, bis hin zu brutalen Gangstergeschichten. Wie dem auch sei, eine Studie der University of Cape Town aus dem Jahr 2003 hat ergeben, dass Mode und Gruppenzwang die Hauptgründe für diese Extraktion sind. Wird auch „Passion Gap“ (Leidenschaftslücke) genannt und soll Oralsex verbessern. La-La-La – darüber will ich jetzt nicht wirklich nachdenken und mache gleich mal einen Termin für die Zahnprophylaxe.

Afrikanische Siesta

Ja, ist angekommen. Es ist warm und mitunter richtig heiß. Das macht müde und so ein kleines Schläfchen während der Pause ist echt erholsam. Power-Napping sozusagen. Das einfachste ist dann, man geht raus und legt sich in seiner Arbeitskleidung irgendwo auf das Trottoir, eine Verkehrsinsel oder irgendeinen Grünstreifen. Autoabgase und Vogelkacke? Egal, es ist so schön warm in der Sonne und Hauptsache, das Haarnetz sitzt.  

 

Supermärkte

Ganz gleich, welche Kette man hier nimmt, „Supermarkt“ ist mein absoluter Pet Peeve, sprich Lieblingsaufreger. Schlecht geschulte Mitarbeiter, überlastete Kassensituationen und tonnenweise Plastik. Vollgestellte Gänge und falsch einsortierte Ware. Da werden dann Mangos schon mal als Wassermelonen deklariert. Dafür gibt es praktischerweise bereits geschälte Kartoffeln oder Zwiebeln in einer Plastikverpackung. Kleinere Packungen sind oft billiger als Großpackungen. Waschmittel zum Beispiel. Wenn der Kilopreis einer 2kg Packung deutlich unter dem Kilopreis einer 5kg Packung liegt. Und die Kassensituation?  Ein gefundenes Fressen für jeden Mystery Shopper: keine Warentransportbänder, dafür aber Kassenmitarbeiter, die ihre Kunden ignorieren und Privatgespräche mit den Tütenpackern führen. Von Barzahlung kann ich nur abraten: da wird jeder Geldschein erst mal glattgestrichen, umgedreht, nochmal glattgestrichen und mindestens zwei Mal gezählt bevor der Betrag in die Kasse eingetippt wird. Das einzig Gute: die „Trolley Manager“. Hier gibt es keinen Wagenpfand und die Trolley Manager räumen die Einkaufswagerl auf.

Jaywalking

Hm – sagen wir es mal so: Zebrastreifen und Fußgängerampeln werden hier maximal als Empfehlung angesehen. Was hatten wir noch in der Verkehrserziehung mit Helmi gelernt? Rot heißt stehen und grün heißt gehen? Hier nicht – hier latscht jeder da auf die Straße, wo es ihm/ihr gerade passt. Am besten den Hund an der Leine und das Kind zwischen den Autos vorlaufen lassen. Auch auf der N1/N2 findet man Fußgänger. Soll heißen: obacht beim Autofahren.

 

Car Guards

Die selbsternannten Parkwächter sind aus Kapstadt genauso wenig wegzudenken wie der Tafelberg. Sie stehen überall, wo man parken kann. Teilweise mit Sicherheitsweste, teilweise ohne. Männer, Frauen, und Kinder zeigen Parkplätze an und winken die Autos in die Lücken. Wäre ja alles nicht so schlecht, aber die Car Guards stehen gefühlt immer hinter dem Auto und das dann noch im toten Winkel. Für ihre Dienste wollen sie dann ein paar Rand haben. In lukrativen Gegenden wie Camps Bay versuchen sie auch gerne Touristen abzuzocken und erklären dem Vom-Linksverkehr-Gestresstem-Autofahrer, dass man üblicherweise R50 oder mehr gibt.

Hadedas

Ähm – was? Der Hadeda ist ein Vogel aus der Familie der Ibisse und heißt auf Deutsch Hagedasch. Kommt hauptsächlich südlich der Sahara vor und zu Hauf in Kapstadt. Na und? Ibisse sind doch eigentlich schöne Vögel oder nicht? Ja, aber dieser hier krächzt ganz elendig in einer unerträglichen Lautstärke. Kein liebliches Gezwitscher, von dem man morgens geweckt wird, sondern lautes, dissonantes Gekreische. Das kann echt nur eine  Hadeda Frau schön finden. 

Nähe

Oder vielmehr zu viel ungewollte Nähe. Egal, wo man in der Schlange steht, die Hintermänner und -frauen rücken einem oft unangenehm nah auf die Pelle. Raumverhalten und Proxemik sind hier ganz, ganz anders. Und ich bekomme pickeligen Ausschlag, wenn jemand so dicht hinter mit ansteht, dass Körperkontakt nicht zu vermeiden ist. Da hilft nur eins: durchatmen. Versuchen, einen Schritt weiter nach vorne zu gehen. Oder wenn die Leute nett sind, einfach ein Gespräch anfangen. Ist ja dann oft auch ganz witzig.

Grundrechnen

Kann hier gefühlt niemand. Wir sind also auf der Getaway Show und bestellen am Kaffeestand zwei Flat Whites zu je R 17,50. Wir legen R 35 hin und das Schneckerl rechnet nochmal mit dem Taschenrechner nach bevor sie freundlich nickt. Oder die „Sushi Train“ an der Waterfront. Das Sushi ist auf bunten Tellern angerichtet und der Preis richtet sich nach der Farbe: grün kostet R 30, gelb R 40, orange R 45 und schwarz R 50. Lecker….also zweimal grün, einmal gelb, einmal orange und einmal schwarz. Macht? Genau: R 195. Wir warten also geduldig mit dem R 200 Schein an der Kasse, bis der junge Mann nachgerechnet hat. Er meint dann noch: „Oh, you are clever“ und lächelt freundlich.

Wein

Schluss für heute. Genug gewinselt auf hohem Niveau. Ich mache mich jetzt mal fertig, gehe dann zur Promenade und bestelle mir einen Sundowner. Ein schönes Glas Sauvignon Blanc. Hier muss ich nicht überlegen, ob ich ein 0,1 oder 0,2 Glas trinken möchte. „Ein Glas“ bedeutet voll bis zum Rand, so dass manchmal die Eiswürfel nicht mehr reinpassen.

Cape Town. Live it. Love it.

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